|
|
Interview mit Muhammad Hassan
in WWE News/Talk 24.04.2011 00:20von Sandman1860 • Besucher | 10.219 Beiträge
Quelle: http://www.genickbruch.com
Interview mit Muhammad Hassan
Er war einer der kontroversesten Bösewichte der Wrestling Geschichte. Ein Mann, dessen Worte und Taten einen offenen Nerv der amerikanischen Psyche nach 9/11 trafen. So schnell, wie er auftauchte und in die internationalen Schlagzeilen geriet, so schnell verschwand er wieder und wurde nie wieder gesehen oder auch nur erwähnt.
Die Geschichte, wie aus Marc Copani, einem 23-jährigen italienischstämmigen College Abbrecher aus Syracus, NY der arabisch-amerikanische Heel Muhammad Hassan wurde, ist eine Geschichte von Timing und Glück - sowohl im positiven als auch im negativen Sinne.
Es ist sechs Jahre her, seit Copani aus dem Fernsehen verbannt wurde und dem Pro Wrestling den Rücken gekehrt hat und erst jetzt entschied er sich dazu, sein Schweigen zu brechen und über seinen kometenhaften Aufstieg zu zweifelhaftem Ruhm und seinen Fall in die selbstverordnete Anonymität zu berichten. "Lange Zeit wollte ich nur keinen Rummel" erklärt Copani in einem der wenigen Interviews, die er seit 2005 gegeben hat. "Aber ich dachte mir, jetzt nach sechs Jahren, ist die Zeit da, meine Seite der Geschichte zu berichten".
Seine Seite der Geschichte dreht sich im einen jugenen, noch unreifen Athleten, der von Starruhm träumte aber zu schnell zu viel davon bekam und sich dabei einige Feinde machte. Eine Zeit lang genoss Copani seinen neuen Ruhm, der aus seiner Darstellung eines verbitterten Arabers/Amerikaners stammte, der sich als Opfer von Rassismus und Diskriminierung sah. Aber der Druck, schnell in den Main Event katapultiert worden zu sein, zusammen mit den Todesdrohungen und der allgemeinen Abscheu vor seinem Gimmick, lastete schwer auf dem Rookie. Er liebte es, im Ring zu stehen und erfüllte sich damit einen Kindheitstraum. Aber auf den Druck und andere Probleme war er nicht vorbereitet. Jetzt, mit 30 und dem Wissen, was passierte, schaut er mit nostalgischen Gefühlen auf seine Wrestlingzeit zurück aber ohne den Wusch, sie noch einmal zu durchleben. "Als ich das Wrestling Geschäft verliess, sagte ich mir, dass es für immer sein werde. Das war mir von Anfang an klar" sagt Copani im Telefon aus New York, wo er gerade seinen lange hinausgeschoben Abschluss in Erwachsenenbildung und Geschichte an der Universität macht.
2002 war er nur ein Semster von einem Abschluss entfernt, als ihn seine Abenteuerlust nach Louisville, Kentucky trieb, wo er bei Ohio Valley Wrestling, der damaligen WWE Brutstätte für neue Talente, unterschrieb. Er nahm den Namen Mark Magnus an und trainierte mit Leuten wie "Eugene" Nick Dinsmore und Johnny Jeter, um sich die Basics im Ring anzueignen, damit seine Fähigkeiten seinem durchtrainierten Look entsprachen. Als bekannt wurde, dass WWE einen arabisch-amerikanischen Charakter in den Shows einbauen wollten, fragte OVW Chef Jim Cornette Copani, ob er diese Rolle übernehmen wolle. "Ich fand es ziemlich witzig, einen Araber zu spielen", erinnert sich Copani, "schliesslich bin ich 100% Italiener aus New York. Aber ich war bereit und wusste, dass das eine große Chance sein würde." Er wusste auch, dass es aber auch ein großes Risiko sein könnte. Früh traf er sich mit WWE Road Agent Arn Anderson, der ihm Geschichten über den The Iron Sheik aus den 80ern erzählte und wie dieser vom Publikum gehasst wurde. "Arn Anderson erklärte mir, wie ich mich darauf vorbereiten könne aber auch, dass es sehr schnell bergab gehen könnte" sagt Copani.
Die Schreiber bei WWE spielten mit einigen Ideen für seinen Charakter, darunter die, ihn zu einem Ölscheich zu machen, der der Welt fossile Brennstoffe vorenthalten wollte. Das Geniale, was Muhammad Hassan schliesslich von all den bisherigen Nahost-Heels abhob, war die Idee, dass er nicht das reine Böse sei, sondern das Produkt der amerikanischen Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile. In einer Reihe von Videos beschuldigte Hassan die Amerikaner des ungerechten Umgangs mit Bürgern dunklerer Hautfarbe. Begleitet wurde er dabei von Daivari, der der Figur mehr Glaubwürdigkeit verleihen sollte, indem er die persischen Tiraden Hassans übersetzte. "Ich bin ein arabischer Amerikaner" erklärte Hassan in einem der ersten Videos," ich bin hier in Amerika aufgewachsen, bin auf die selben Schulen gegangen und habe das selbe Essen gegessen wie ihr und es gab nie Probleme zwischen uns. Aber seit 9/11 werden Leute wie ich von euch nach stereotypen Vorurteilen behandelt. Wir werden ausgesondert und gedemütigt. Wir verlangen die selben Rechte, die jeder Amerikaner hat." Es war eine clevere Abweichung vom üblichen "böser Ausländer" Gimmick, denn er war weder böse, noch Ausländer. Er war ein Opfer, ein amerikanischer Bürger, der mit Rassismus und Vorurteilen in seinem eigenen Land leben musste. Er wollte ein besseres Amerika, in dem die Leute nach ihren Taten beurteilt würden und nicht nach ihrer Hautfarbe. Und die Leute hassten ihn dafür.
"Alles was ich sagte, war die Wahrheit," sagt Copani, "Sie wussten, dass ich die Wahrheit aussprach aber sie hassten es, so etwas gesagt zu bekommen." Von dem Moment an, als Hassan und Daivari im Dezember 2004 zum ersten Mal im Live TV auftraten und dabei Mick Foley unterbrachen, der den amerikansichen Truppen in Übersee seine Unterstützung mitteilte, waren sie die meistverachteten Heels im Wrestling. Woche für Woche unterbrach das Duo in der Folgezeit immer wieder Segmente. Je mehr er sich ins Programm einmischte, je mehr er sich über seine unfaire Behandlung beklagte, desto mehr wollten die Fans sehen, wie er eine Abreibung bekommt. Als er beim Royal Rumble 2005 den Ring betrat, schlossen sich die acht Wrestler, die sich eben noch bekämpft hatten, zusammen und waren Hassan aus dem Ring.
Hassan errang, meist durch unfaire Taktiken, eine beeindrucktende Anzahl an Siegen und fand sich im April 2005 zum ersten Mal in einem Main Event in der Kathedrale von WWE, dem Madison Square Garden, wieder. Rückblickend beschreibt Copani den Abend als den großartigsten seiner Karriere. Nachdem er in seinem Match gegen Shawn Michaels disqualifiziert wurde, legte er seinen Turban um Michaels' Hals und wollte ihn "erhängen". Da ertönten die vertrauten Klänge von "Real American" und Hulk Hogan kam zum Ring. Das Publikum rastete beim Anblick des patriotischen Hulksters natürlich aus. "Es war das Lauteste, was ich in meinem Leben je gehört habe", erinnert sich Copani. "Es war so laut, dass es mich fast von den Beinen geholt hat." Hogan, der schon viele ausländische Gegner vom Iron Sheik bis Yokozuna erledigt hatte, zeigte einige Schläge und Tritte und eine doppelte Kopfnuss gegen Hassan und Daivari. Muhammad Hassan war gedemütigt, Copani dagegen hätte nicht glücklicher sein können. Er war damit aufgewachsen, wie Hogan böse Gegner geschlagen hatte und konnte es kaum fassen, jetzt selbst zu denen zu gehören, die Hulkamania gegenüber gestanden hatten. Es war einer der letzten Höhepunkte einer Karriere, die immer weiter auf den Abgrund zusteuerte.
Copani wusste, dass der Hassan Charakter gewagt war und bekam immer wieder böse Briefe und Todesdrohungen, wenngleich die meisten davon vorher aussortiert wurden und ihn nie erreichten. Die Probleme wurden größer, als Daivari und Hassen von RAW zu SmackDown und damit dem familienfreundlicheren Sender UPN "gedraftet" wurden. Bei der SmackDown Folge am 4. Juli 2005 traf Daivari auf The Undertaker in einem Match, das einen Vorgeschmack auf das Match zwischen Hassan und dem Undertaker beim anstehenden Great American Bash sein sollte. Nachdem der Undertaker Daivari problemlos abgefertigt hatte, ging Hassan in eine Gebetspose, worauf fünf vermummte Männer auftauchten, die den Undertaker attackierten. Die Show wurde an einem Dienstag aufgezeichnet, jedoch an einem Freitag ausgestrahlt. Nur Stunden nach einem Terroranschlag in London.
Das Segment wurde von der Kritik zerrissen und Kommentatoren der New York Post, von Variety und anderen Mainstream Medien warfen WWE vor, auf der Jagd nach Einschaltquoten auf einen nie dagewesenen Tiefpunkt gesunken zu sein. Als Antwort attackierte Hassan in einem Statement auf der WWE Website, den Journalisten Don Kaplan, der in New York Post unterstellt hatte, dass sich unter den Skimasken, die die Angreifer trugen, Araber befanden. (Es waren übrigens weiße Männer). "Ich bin da raus mit dem Artikel in der Hand. Alles was ich gesagt habe, war 100% ich und improvisiert" erinnert sich Copani. "Kaplan hatte Schlüsse gezogen, die falsch waren und das habe ich ihm gesagt. Es war eines meiner besseren Interviews. Leider war es auch mein letztes." Der Schaden war angerichtet und nachdem UPN WWE unter Druck setzte, Hassan nicht mehr auf den Sender zu lassen, wurde Copani entlassen.
Copani ist der Meinung, dass das Debakel durch einige Schnitte vor der Ausstrahlung hätte verhindert werden können, ist sich aber auch darüber klar, dass der Hassan Charakter schon immer grenzwertig war. "Wir hatten immer befürchtet, dass etwas passieren wird", so Copani. "Es gab großen Druck, auch von arabisch-stämmigen Amerikanern, die sich ungerecht dargestellt fühlten." Auf dem Höhepunkt seines Ruhms war Copani arbeitslos, aber nicht unbedingt enttäuscht. Sein WWE Aufenthalt war so wild gewesen, dass er erschöpft und desillusioniert war und die Ruhe genoss. "Ich habe bei WWE alles viel zu schnell bekommen." meint Copani. "Ich war überhaupt nicht dafür bereit. Ich war erst 24 und noch nicht erwachsen genug, als das alles passierte. Ich konnte mit einem so schnellen Aufstieg einfach noch nicht umgehen. Zurückblickend denke ich, ich war damals noch ein großes Kind."
In der Hoffnung, eine andere Seite des Showbiz kennen zu lernen, zog Copani nach Los Angeles, um sich als Autor und Schauspieler zu versuchen. Es stellte sich als hartes Geschäft heraus aber auch als schöne Abwechslung vom Wrestling. Während dieser Zeit erwähnte sein Freund Shad Gaspard ein Drehbuch, an dem er schon seit einiger Zeit erfolglos arbeitete. Copani bot an, es weiter zu entwicklen. "Ich nahm sein Drehbuch und schrieb es von Grund auf um. Ich arbeitete ein ganzes Jahr daran. Wir haben immer wieder daran gearbeitet und es schliesslich zusammengesetzt." Das Ergebnis vieler Entwürfe und Neuanfänge ist die Graphic Novel "Assassin and Son", die demnächst in drei Teilen erscheinen wird. "Es ist eine Mischung aus alten Samurai Filmen und "Kill Bill". Da Shad ein großer schwarzer Kerl ist und ich ein eher mittelgroßer Italiener, hatten wir verschiedene Einflüsse während unserer Jugend." erklärt Copani. "Letztendlich ist es die Suche eines Helden nach Erlösung."
Die baldige Veröffentlichung des Buches hat dazu geführt, dass sich sein sonst eher einsiedlerischer Autor wieder etwas mehr in der Öffentlichkeit zeigt und in geringem Maße auch wieder Kontakt mit der Wrestling Welt hat. Im April war er bei einer Wrestling Convention in Pennsylvania, wo er Fans traf und Autogramme gab. Seine Hauptmotivation für die Reise dorthin, so gibt er zu, war aber der Gratisflug dorthin, denn er wollte gemeinsam mit seiner Freundin Philadelphia besichtigen. Aber er freute sich natürlich auch darüber, ein paar bekante Gesichter wieder zu sehen, vor allem Daivari. Seit seinem Abgang von WWE hatte er nur eine einzige Autogrammstunde absolviert und war nun froh und überrascht darüber, dass die Fans seinen Beitrag zum Business zu schätzen wussten. "Ich habe so ein normales Leben gelebt, da ist es cool zu sehen, dass sich Leute noch nach Jahren an den Charakter erinnern, den ich gespielt habe. Mit den Fans zu sprechen und zu sehen, wie sie drauf sind, war geradezu ein Schock." Aber Copani beharrt darauf, dass ihn keine Dankbarkeit und keine Nostalgie mehr fulltime ins Wrestling Business zurücktreiben können. Er ist fast fertig mit dem College und möchte Lehrer werden. Er ist sehr interessiert an amerikanischer Geschichte, was angesichts seines WWE Charakters schon fast ironisch ist und lebt ein normales, zurückgezogenes Leben.
Manchmal bekommt er noch Angebote aus dem Independent Bereich oder dem Ausland, seine Figur wieder aufleben zu lassen aber er hat sich dazu entschlossen, das Muhammand Hassan Teil seiner Vergangenheit bleiben wird. "Ich habe schon zu viele Leute auf dem Indy Curcuit gesehen, die über ihren Zenit hinaus sind und dann dort eine unglückliche Figur abgeben. Ich möchte nicht so werden" sagt er. Auf die Nachfrage, ob er damit jemanden spezielles meine, wollte er keine Namen nennen. Seine Antwort zeigt aber, wie sehr er sich von der Figur unterscheidet, die er einst spielte: "Ich möchte niemanden verärgern."

![]() 0 Mitglieder und 8 Gäste sind Online |
![]()
Das Forum hat 3256
Themen
und
45978
Beiträge.
|
![]() | Forum Software ©Xobor.de | Forum erstellen |